5 Jahre Gesangskanarienzucht in der VZE     (Autor Hans Riegler)

- Erreichtes und Perspektiven -

 

Nach fünf Jahren Mitgliedschaft in der VZE könnten die Gesangskanarienzüchter eigentlich eine positive Bilanz ziehen. Mit dem noch im Jahr des Beitritts durch den Vorstand beschlossenen neu erarbeiteten Standard für die neuen Zuchtrichtungen Farben-Gesangskanarien und Positur-Gesangskanarien und dem modernen Bewertungssystem für den Gesang der Harzer Roller (100 Punkte) hatten wir einen optimalen Start, weil damit bereits die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche und zukunftsorientierte Zuchtarbeit gegeben war. Danach und parallel dazu wurden weitere für die Standardzucht notwendige Dokumente, wie die Ausstellungsordnung, die Bewertungsbögen oder die Unterlagen für die Kataloggestaltung erarbeitet und für unsere Belange zugeschnitten.

 

Noch im Jahr 2005 gründete sich unsere VZE Arbeitsgemeinschaft Gesangskanarien und Farben-Gesangskanarien, der inzwischen fast dreißig Mitglieder angehören und die dank der Initiative des Zuchtfreundes Heinrich Hucke unter www.harzerroller.info  von Anfang an eine eigene und bis heute in Züchterkreisen viel beachtete Homepage hat.

Ein weiterer wichtiger Schritt für die Arbeitsfähigkeit der AG war etwas später die Gewinnung der noch im VKSK ausgebildeten Zuchtrichter K.-P. Lunkwitz und W. Aurich für die Mitarbeit in der VZE, die seitdem zusammen mit G. Kein und T. Müller eine eigene Zuchtrichtergruppe Gesang in unserer Vereinigung bilden und die uns unabhängig gegen Störungen von außen gemacht hat.

Dank dieser Voraussetzungen und der Unterstützung durch den Vorstand der VZE hat der Verein Gotha seitdem jährlich bei optimalen Rahmenbedingungen die VZE- Bundes -meisterschaften für die Gesangskanarien ausgerichtet, die hinsichtlich der Beteiligung und des Leistungsniveaus stets ein Erfolg waren. Unterstrichen wird die erfolgreiche Arbeit auch wieder durch die Ergebnisse der Vierten Bundesmeisterschaft vom 26.11. bis 29.11. 2009 und einige das Ausstellungswesen betreffende neue Festlegungen.

 

Aus den Siegerlisten ist zu ersehen, dass es gegenüber den Vorjahren Änderungen bei den Ausstellungsklassen gegeben hat und dass wir nun

·         Harzer Roller-Gesangskanarien (klassisch) und

·         Harzer Roller- Gesangskanarien (farbig)  prämieren und dass wir zudem auch

·         Farben-Gesangskanarien (rotgrundig) und

·         Farben-Gesangskanarien (gelb/weißgrundig)

getrennt bewerten.

 

Die Änderungen wurden auf einer Beratung der AG Gesangskanarien im August 2009 beschlossen und gehen zurück auf die in den Vorjahren gemachten Erfahrungen sowie auf Anträge bzw. Anregungen einiger Züchter. So gab es einen Antrag, Farben-Gesangs -kanarien unterschiedlicher Farbe in einer Kollektion als Sammelklasse zuzulassen, weil es in unseren meist kleinen Zuchten schwierig oder oft unmöglich ist, vier Vögel gleicher Farbe mit entsprechend gutem Gesang auszustellen. Dieser Antrag wurde nach eingehender Diskussion und vorangegangener Konsultation mit Klaus Bröse als unserem Fachberater und Zuchtrichter für Farbe abgelehnt, weil wir bei den Farben-Gesangskanarien auch weiterhin auf farblich durchgezüchtete Stämme orientieren wollen. Wir haben dafür jedoch die oben erwähnte Ausstellungsklasse „Harzer Roller-Gesangskanarien-farbig" neu eingerichtet.

Die Vögel in dieser Klasse stehen nicht chancenlos in direkter Konkurrenz mit den klassischen Harzern, erhalten aber wie diese nur eine Gesangsbewertung. Gesanglich können diese verschiedenfarbigen Kanarien durchaus ein durchgezüchteter homogener Stamm sein, weil bei entsprechender Verpaarung von spalterbigen Elterntieren farblich unterschiedliche Vögel sogar als Nestgeschwister fallen können.

Einen Vorteil dieser Regelung sehen wir darin, dass sie eine größere Farbenvielfalt in der Gesangszucht eindeutig fördert. Sie ermöglicht außerdem Züchtern die Teilnahme an Wettbewerben, die sich für besonders schwierig zu züchtende Farben entscheiden und deren Vögel deshalb in einer Übergangsphase den qualitativen Ansprüchen an Farben-Gesangskanarien noch nicht genügen. In jedem Fall kann man aber auf Vögel aus dieser Ausstellungsklasse zurückgreifen, um einen Stamm in der gewünschten Farbe aufzubauen. Als Nebeneffekt der Neuregelung können wir außerdem die Anforderungen bei den Farben-Gesangskanarien hinsichtlich der Farbqualität erhöhen. Die Trennung in die zwei Ausstellungsklassen rot- und gelb/weißgrundig bei den Farben-Gesangskanarien soll lediglich mehr Chancengleichheit schaffen, weil rotgrundige Vögel doch etwas schwerer zu züchten sind, als z.B. dominant oder geschlechtsgebunden vererbte Farben.

Wir meinen, dass sich die hier geschilderten Neuregelungen bereits im ersten Jahr ihrer Anwendung bewährt haben und werden dazu natürlich weitere Erfahrungen sammeln.

Insgesamt ist die Vierte Bundesmeisterschaft erfolgreich wie auch die bisherigen verlaufen. Rückblickend bleibt die Meisterschaft des Vorjahres mit der erstmaligen Beteiligung der österreichischen Zuchtfreunde aber doch ein besonderer Höhepunkt. Wir sind deshalb in diesem Jahr trotz widriger Witterungsbedingungen und Straßenverhältnisse gern der Einladung zur Beschickung der Meisterschaft der österreichischen Interessengemeinschaft für Harzer Edelroller (IGH) vom 12. bis zum 26. Januar in Wien gefolgt und haben mit 5 Kollektionen klassischer Harzer Roller und mit Farben-Gesangskanarien an der Veranstaltung teilgenommen. Entsprechend der angestrebten länderübergreifenden Zusammenarbeit und der Beratung dazu in der Slowakei im Juni 2009 wurde diese Veranstaltung als „Harzer Roller Kanaria -grenzenlos-" ausgetragen und hatte neben uns auch drei Züchter aus Tschechien und Slowenien als ausländische Teilnehmer.

Auf der Abschlussveranstaltung mit Vorführung der Siegerstämme konnten wir uns von dem hohen Stand der Harzer Edelroller-Zucht in Österreich überzeugen. Der Sieger Johann Reiterer erreichte 358 Punkte und stellte auch den Championvogel mit 93 Punkten, der 2. Platz und 3. Platz wurde mit 356 Punkten bzw. 355 Punkten vergeben, aber auch unsere besten teilnehmenden Harzer Roller Züchter Werner Aurich mit dem 5. Platz und 348 Punkten sowie dem Gewinn der Sonderwertung für die Besten Pfeifen und Klaus-Peter Lunkwitz mit dem 7. Platz und 344 Punkten erreichten sehr achtbare Platzierungen von 28 vorgestellten Kollektionen.

Bei den Farben-Gesangskanarien waren wir durch Bernd Pracht mit einer Kollektion rot schimmel, die sehr gute 669 Punkte erreichte, durch Klaus Eisentraut mit Einzelvögeln in schwarz-rot und durch Hans Riegler mit Einzelvögeln in rot-mosaik vertreten. Der österreichische Prr. für Gesang, Karl Oberhammer, hat in seiner Auswertung lobende Worte für diese rotgrundigen Vögel gefunden und ausgeführt, dass es solche in Österreich noch nicht gibt. Wir glauben deshalb, ein wenig zum Gelingen des Wettbewerbs in Wien beigetragen und unsere Vereinigung insgesamt würdig vertreten zu haben.

 

Trotz des insgesamt positiven Fazits unserer Teilnahme an der „Harzer Roller Kanaria" und der angenehmen Gespräche mit den österreichischen Züchtern haben wir die Heimreise in gedrückter Stimmung angetreten. Der seit seinem ersten Besuch im Jahr 2004 mit uns in enger Verbindung stehende Zuchtfreund Franz Holy ist noch während unseres Aufenthaltes in Österreich lebensgefährlich erkrankt und für alle unfassbar am 23. Februar verstorben. Als langjähriger Präsident des Österreichischen Kanarien- und Vogelliebhaberbundes hat er zweifellos herausragende Verdienste für die Vogelzucht in seinem Land, aber auch wir haben ihn in den Jahren der Zusammenarbeit sehr schätzen gelernt und waren immer wieder beeindruckt von den von ihm ausgehenden Initiativen zum Wohl der Gesangskanarienzucht. Er hat wie wir mit Sorge den überall zu beobachtenden Rückgang dieser Zuchtrichtung verfolgt und den Kontakt mit uns und den Verbänden weiterer Länder gesucht, damit wir gemeinsam diesem Prozess besser entgegenwirken können. Mit ihm haben also auch wir einen sehr engagierten Mitstreiter für den Erhalt der Gesangskanarienzucht verloren, was uns mit Blick auf unsere eigene Situation wiederum sehr nachdenklich stimmt. Wie ganz allgemein ist das eigentliche Problem auch in unserer AG die Altersstruktur der verbliebenen Gesangszüchter, sodass in den nächsten Jahren allein altersbedingt mehr und mehr Zuchten verschwinden werden.

 

Bei allen oben angeführten Erfolgen müssen wir daher nüchtern feststellen, dass es uns in den vergangenen 5 Jahren nur unzureichend gelungen ist, neue Interessenten innerhalb der VZE für unsere Zuchtrichtung zu gewinnen und dass sich die Liebhaber von Farbenkanarien bis auf wenige Ausnahmen weiterhin unseren farbigen Gesangskanarien verschließen. Wenn wir immer wieder für diese Zuchtrichtung werben, dann entspricht das natürlich unserer persönlichen Neigung, ein Grund ist aber auch die Überzeugung und das Wissen, dass ein etwaiger Untergang des Harzer Rollers auf Grund der genetischen Zusammenhänge unumkehrbar wäre. Darin besteht der Unterschied zu einem eventuellen Verlust irgendwelcher Kanarienfarben. Diese sind mit Ausnahme der roten Farbe Verlustmutationen, die zwar nicht planmäßig neu züchtbar sind, die aber mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit immer wieder auftauchen würden. Wir können das an den in Gefangenschaft gehaltenen europäischen Finken, aber auch bei den Exoten verfolgen, wo die auftretenden Mutationen die züchterische Arbeit der sich um die Erhaltung der Wildformen bemühenden Züchter massiv erschweren.

Natürlich ist es eine Katastrophe, dass durch verantwortungs- und gewissenloses Handeln der Menschen immer mehr Lebewesen und eben auch Vogelarten von unserem Erdball verschwinden, es ist aber auch ein Verlust, wenn regelmäßig Haustierrassen aussterben.

 

Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH), die auf der Roten Liste zur Zeit allein für Deutschland 94 bedrohte Rassen führt, möchte diesen Prozess aufhalten, weil mit jeder untergehenden Haustierrasse die Ergebnisse züchterischer Bemühungen vieler Generationen verloren gehen, die schon aus kultureller und historischer Sicht mindestens den Schutz verdienen, den z.B. auch alte Bäume und Gebäude oder Ruinen erhalten. Dazu kommt aber, dass mit aussterbenden Rassen auch Leistungsmerkmale und Eigenschaften verschwinden, die man, wie die Praxis schon oft genug gezeigt hat, nur wenig später dringend gebraucht hätte.

 

Wir hoffen deshalb nicht, dass der Harzer Roller eines Tages auf die Rote Liste gesetzt werden muss oder dass nachfolgende Generationen vielleicht sogar davon sprechen, dass es einmal einen Kanarienvogel gegeben hat, der sein Lied mit geschlossenem Schnabel in einer für den Menschen angenehmen Tonlage und für die Wohnung geeigneten Lautstärke vorgetragen hat.

 

Das zu verhindern sollte ein lohnendes Ziel sein, wobei wir bei unserer Werbung nicht nur an die das Leistungsniveau in der Farbenzucht bestimmenden Züchter denken, wenngleich uns natürlich gerade diese mit ihren Erfahrungen weiter helfen könnten. Es gibt auch Zuchtfreunde, die sich mehr als Liebhaber von Kanarien verstehen und die bisher keine konkreten Leistungsziele verfolgen. Zucht und Umgang mit unseren Harzer Rollern oder Farben-Gesangskanarien würde sicher nicht weniger Freude machen und die bewusste Mitarbeit in der Gemeinschaft der Gesangszüchter könnte doch auch eine Bereicherung sein. Uns wäre jede Verstärkung sehr willkommen.

Hans Riegler

Helenenstraße 6a

 

99867 Gotha