Neue Wege in der Gesangskanarienzucht / Farben-Gesangskanarienzucht
von Hans Riegler, Helenenstr. 6a, 99867 Gotha
Veröffentlicht in der Monatszeitschrift Nr. 2 / 2006 VZE Vogelwelt Seite 47
Im abgelaufenen Zuchtjahr 2005 ist unser "Kanarienzucht- und Vogelschutzverein Gotha von 1872 e. V." in die VZE eingetreten, ein Verein mit seit Jahren durchschnittlich 10-12 aktiven Mitgliedern und einer sehr langen Tradition in der Gesangskanarienzucht. Das belegen u. a. ein DDR-Meistertitel und mehrere 3. Plätze auf DDR-Meisterschaften, aber auch der Titel eines Deutschen Meisters mit Farbengesangskanarien in jüngster Zeit. Heute sind wir wahrscheinlich einer von ganz wenigen Vogelzuchtvereinen in ganz Deutschland, in dem sich a l l e Mitglieder der Gesangskanarienzucht widmen.
Der angenehme Gesang dieser Vögel entspricht zum einen natürlich ganz einfach unserer Interessenlage, andererseits betreiben wir diese Zuchtrichtung aber auch bewusst, um zum Erhalt eines kulturellen Erbes beizutragen. Als solches darf man die von Züchtern wie Trute, Seifert und anderen schwerpunktmäßig in St. Andreasberg im Harz geschaffene alte Kulturrasse wohl bezeichnen, die als "Harzer Edelroller" zu einem Begriff geworden ist und ganz wesentlich zur großen Verbreitung des Kanarienvogels in der Welt beigetragen hat.
Wir Liebhaber dieser Rasse sehen allerdings mit großer Sorge, dass die Zahl der Gesangszuchten in Deutschland immer weiter abnimmt und z.B. in den Jahren von 1991 bis 2003 von 1832 auf 785 Züchter zurückgegangen ist. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Altersstruktur der noch aktiven Gesangszüchter muss man daher ernsthaft um den Fortbestand des Edelrollers fürchten und deshalb sind wir der Auffassung, dass die Gesangsrichtung einer grundlegenden Erneuerung bedarf.
Nun mag es zunächst verwundern, dass wir diese in einer Vereinigung anstreben, in der die Gesangskanarienzucht bisher überhaupt nicht vertreten war, Gespräche mit Zuchtfreunden verschiedener Leitungsebenen der VZE haben uns dahingehend jedoch sehr viel Mut gemacht. Entscheidend für unseren Schritt war aber letztlich, dass wir in der VZE eben nicht auf Gesangszüchter mit verkrusteten und überholten Anschauungen treffen, die jede angestrebte Neuerung massiv bekämpfen und dabei den Untergang des Harzer Rollers offenbar schon billigend in Kauf nehmen. Jedenfalls verstehen wir das so, wenn einflussreiche Gesangszüchter publizieren, dass man für die paar Jahre, in denen es noch Gesangszüchter gibt, nichts mehr ändern muss und sich mit dieser Haltung auch durchsetzen.
Wir wollen uns damit nicht abfinden und haben uns deshalb sehr über die Nachricht gefreut, dass der Hauptvorstand der VZE am 27. 11. 2005 zwei nach unserer Meinung sehr wichtige und richtungweisende Beschlüsse gefasst hat.
Mit dem ersten Beschluss wurde das von deutschen Züchtern in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geschaffene und sich in seinen Grundzügen über die Jahrzehnte bewährte Bewertungssystem für Harzer Gesangskanarien für die VZE übernommen, mit der Anhebung der damals festgelegten Höchstpunktzahl von 90 auf 100 Punkte für die gesangliche Leistung aber gleichzeitig auch den Erfordernissen unserer Zeit angepasst. Letzteres war notwendig, weil sich der Gesang unserer Vögel nach achtzig Jahren intensiver Zuchtarbeit so verbessert hat, dass die besten Hähne nicht mehr mit den 90 Punkten auskommen. Die von den Gesangspreisrichtern der Bundesrepublik aus dieser Tatsache abgeleitete und praktizierte Handhabung des Bewertungssystems will ich hier nicht näher erläutern, sie ist aber so abwegig und unsinnig, dass dabei in der absoluten Leistungsspitze die Ergebnisse des sportlichen Wettbewerbs völlig verfälscht werden. So sind die Deutschen Meister für Harzer Gesangskanarien dadurch in den letzten sieben Jahren nicht ein einziges Mal nach der höchsten ersungenen Punktzahl vergeben worden und es hatte ja schließlich auch einen Grund, dass die 90-Punktgrenze in Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Japan und den USA wie schon 1982 in der DDR abgeschafft wurde. Die Entscheidung des Hauptvorstandes war deshalb für die Gesangsrichtung nicht nur richtig und notwendig, sondern auch eine Anpassung an internationale Gepflogenheiten.
Mit dem zweiten am 27. 11. 2005 gefassten Beschluss verbinden wir besonders viele Hoffnungen für die Gesangskanarienzucht. Mit dem maßgeblich vom Zfrd. Klaus Bröse erarbeiteten Standard für Farbengesangs- und Positurgesangskanarien Deutsche Haube wurde unseres Wissens erstmalig ein solcher Standard in einem Dachverband beschlossen und kann damit allen daran interessierten Züchtern als Grundlage für ihre praktische Arbeit in die Hand gegeben werden.
Uns freut das nicht nur, weil in unserem Verein fast alle Mitglieder neben reinen Gesangskanarien solche Vögel züchten, wir hoffen vielmehr auch, dass mit der Förderung dieser Zuchtrichtungen mittel- und langfristig der bereits angesprochene Rückgang der Gesangszuchten aufgehalten werden kann. Wir glauben nämlich nicht an die oft zu hörende Behauptung, dass es wegen der größeren Schwierigkeit der Gesangszucht immer weniger Züchter des Harzer Rollers gibt. Die Entscheidung von sehr viel mehr Züchtern für Farben- oder Positurkanarien dürfte in erster Linie wohl daran liegen, dass diese Vögel nach deren Empfinden schöner aussehen und sich zudem noch etwas besser verkaufen lassen. Nun könnte man dem entgegenhalten, dass es doch schon immer auch und besonders der Gesang war, der uns Menschen Vögel liebenswert und sympathisch gemacht hat, wir sollten aber gerade bei unseren Kanarien Schönheit und Gesang nicht alternativ gegenüberstellen. Aus tierzüchterischer Sicht kann man auf Grund der genetischen Zusammenhänge den Gesang des Harzer Rollers mit jeder beliebigen Kanarienfarbe kombinieren.
Die Gesangsliebhaber müssen also nicht zwangsläufig auf die Farbenvielfalt und die Farbenzüchter nicht auf den angenehmen Gesang des Harzers in ihren Zuchten verzichten.
Leider glauben viele Gesangszüchter bis heute noch nicht an diese Möglichkeit und manche gehen sogar polemisch dagegen vor. Bei den Farbenzüchtern wiederum ist die Forderung des Altmeisters Julius Henniger bisher wirkungslos verhallt, für den das Endziel der Farbenkanarienzucht erst durch die Vereinigung einer guten Farbe mit einem guten Gesang in ein und demselben Vogel erreicht sein sollte. Die Beschreibung der einzelnen Schritte auf dem Weg dorthin würde im Rahmen dieses Beitrages etwas zu weit führen, die Züchter unseres Vereins arbeiten aber ernsthaft an dieser Zielstellung und wollen die praktischen Ergebnisse ihrer diesbezüglich zum Teil schon langjährigen Bemühungen im Jahr 2006 neben ihren reinen Gesangskanarien in der VZE vorstellen.
Dafür sind erstmalig Meisterschaften für Gesangs- und Farbengesangskanarien in der VZE geplant und wir freuen uns besonders im Hinblick auf diese Veranstaltung darüber, dass neben uns Thüringern auch schon einige gestandene Gesangszüchter aus anderen Bundesländern den Weg in die VZE gefunden haben und mit uns gemeinsam neue Wege in der Gesangszucht gehen wollen. Weitere kommen hoffentlich hinzu. Ganz besonders möchten wir dabei unter den VZE-Mitgliedern dafür werben und hoffen, dass es unter ihnen noch Gesangsliebhaber gibt bzw. dass sich auch aus den Reihen der Farben- und Positurkanarienzüchter einige Zuchtfreunde für die jetzt auch in ihrer Vereinigung vertretenen Zuchtrichtungen interessieren.
Für die IG Kanarien in der VZE wäre das ganz sicher ein Gewinn
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